Bach(-)blüten – esoterischer Blödsinn oder alternative Medizin?

Zugegeben: ich bin ein Anhänger der sog. “Schulmedizin”. Darunter verstehe ich nicht, von Chemikern irgendwelche Pillen und Tropfen anfertigen zu lassen und sie Patienten zu verabreichen und die Wirkstoffe der Natur vollkommen ausser Acht zu lassen. Unzählige Wirkstoffe mit noch so zungenbrecherischen Namen sind direkt der Natur entnommen.

First Aid Rescue oder Rescue Remedy – das Produkt hat mehrere Bezeichnungen

Ist Pflanzenheilkunde und Bach-Blüten das Gleiche oder ein Teil davon?

Definitiv nein. Wenn auch alle sich der Pflanzenwelt bedienen, auf der ihre Wirkung basiert / basieren soll, muss man hier klar unterscheiden. Erster grosser Unterschied: die Verwendung von Pflanzen in der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) basiert ausschliesslich auf empirischen Erkenntnissen über die Wirk- und Heilsamkeit einer Pflanze. Hat eine Pflanze nachweislich heilende Wirkung, ist sie eine Heilpflanze.

In der Bach-Blüten-Therapie werden Pflanzen nach ganz anderen Kriterien ausgewählt. Es kann sich zufällig eine Heilpflanze darunter finden, aber ihre Auswahl basierte auf vollkommen anderen Kriterien.

Was sind Heilpflanzen?

Eine Heilpflanze ist eine Nutzpflanze, die zu Heilzwecken oder als Arzneipflanze zur Linderung von Krankheiten innerlich oder äußerlich verwendet wird. Sie kann als Rohstoff für Phytopharmaka in unterschiedlichen Formen, aber auch für Teezubereitungen, Badezusätze und Kosmetika verwendet werden.

Heilpflanze – Wikipedia

Man kann also sagen, dass jede Pflanze, für die in der pharmazeutischen Biologie eine medikamentöse Anwendung bekannt ist, als Heilpflanze bezeichnet werden kann – auch Pilze, Algen, Flechten, Moose. Wichtig ist: ohne anerkannte Wirkung keine Heilpflanze.

Die Bach-Blüten-Therapie

Bach-Blüten haben nichts mit Gewässern (Bach) zu tun, wie viele glauben. Es werden keine heilenden oder energetischen Pflanzen an irgendwelchen Bächen gepflückt und verarbeitet. Der Name kommt von Dr. Edward Bach (1889-1936), der nach einer möglichst einfachen Heilmethode jenseits der Schulmedizin suchte. Er studierte die Schriften Hahnemanns (-> Erfinder der Homöopathie).

Bach fand heraus, dass bei seinen Patienten bei gleicher Erkrankung unterschiedliche Gemütszustände vorherrschten. Daraus schloss er: die Seelenlage bestimmt den Verlauf der Krankheit – nicht umgekehrt.

Laut Bach gibt es sieben Gemütszustände, die Krankheitsprozess und Genesung bestimmen:
– Angst
– Unsicherheit
– Gleichgültigkeit
– Einsamkeit
– Überempfindlichkeit
– Mutlosigkeit
– übertriebene Fürsorge

Diese Gemütszustände wollte er beeinflussen, um damit die Krankheit / Genesung zu verändern. Er suchte in der Natur nach Heilmitteln und fand Pflanzen, die diese Umstimmung bewirken sollen. Mit 37 Pflanzen und dem Quellwasser, die er als Heilmittel definierte, sollten alle negativen Gemütszustände geheilt werden können.

Also doch Heilpflanzen?

Nein. Die von Bach verwendeten Pflanzen sind keine Heilpflanzen und wurden auch von ihm nicht als solche ausgewählt. Bach wählte die Blüten nach ihren “energetischen Schwingungen” aus. Deswegen werden nur die Blüten verwendet, da von ihnen (laut Bach) die grössten Schwingungen ausgehen. Die daraus entstandenen Blütenessenzen wirken (laut Bach) auf der feinstofflichen Ebene. Bei einem kranken Menschen sind die Schwingungen im Körper verändert, die Energie ist blockiert. Die Bach-Blüte (so Bach) wirkt wie ein Schlüssel: die passende Blüte löst die vorhandene Blockade und setzt Energie frei. Der Patient fühlt sich wohler und fängt an zu genesen.

Für die Herstellung dieser Essenzen sollte das Herstellungsverfahren äusserst schonend erfolgen, da die Blüte wenig in Mitleidenschaft gezogen werden soll und die Schwingungen der Blüte erhalten bleiben (so Bach). Zu verwenden sind nur Wildpflanzen, da gezüchtete Pflanzen nicht mehr die ursprüngliche Vitalität und Energie besitzen sollen.

Wie entsteht so eine Bach-Blüten-Essenz?

In der Naturwissenschaft ist die Essenz eine konzentrierte Lösung (bspw. Essigessenz). In der Phytotherapie ist die Essenz der mit einem bestimmten Press- oder Entzugsverfahren gewonnene Saft einer Pflanze, der dann in der Schulmedizin, aber auch in der Homöopathie als Urtinktur Anwendung findet.

Für Bach ist die Essenz nichts dergleichen, sondern eher die philosophische Bedetung des lateinischen Wortes “essentia”, also das Wesen der Pflanze, die auf das Quellwasser übergeht.

Bach unterscheidet hierbei zwei Methoden. Die Koch- und die Sonnenmethode. Bei der Sonnenmethode, die angewandt wird bei Pflanzen, die im Spätfrühling und Sommer blühen, werden die Blüten geernet, wenn sie am weitesten geöffnet sind. Sie werden in eine Schale mit frischem Quellwasser gelegt und der Sonne ausgesetzt, bis sie welken. Dabei geht dann die Energie (laut Bach) der Blüten an das Quellwasser über. Die Blüten werden entfernt, das Wasser enthält nun die “Essenz” der Blüten (also deren “Geist / Leben”) und wird mit Alkohol versetzt, um es haltbar zu machen.

Früh und spät blühende Pflanzen werden gekocht, da Bach der Meinung war, die Energie der Sonne reiche bei ihnen nicht aus. Anstatt von Sonne beschienen werden diese Blüten dann gekocht, der restliche Herstellungsprozess ist quasi identisch.

Welche Pflanze für welches Tier und welche Beschwerden?

Die nachfolgenden Informationen sind nicht als veterinärmedizinische Empfehlung zu sehen (eher im Gegenteil), sie geben nur die Lehre von Dr. Bach wieder und entsprechen nicht unserer Auffassung!

Edward Bach zufolge reicht alleine der gesunde Menschenverstand und eine gewisse Intuition aus. Wichtig ist die Anamnese des entsprechenden Tieres (welches einen komplett anderen Themenbereich darstellt, den wir hier nicht vertiefen wollen und können – Anm. d. Red.). Bach ist der Meinung, dass bestimmte Farben der Blüten für bestimmte Gemütszustände zuständig / wirksam sind (auch hier schenken wir uns tiefergehende Informationen, die meisten werden die “Essenzen” vermutlich nicht selbst erstellen wollen, sondern kaufen)

Achtung! Nummer 39, bekannt als “First Aid Rescue” oder auch “Rescue Remedy” kommen sehr oft mit Alkohol daher. Bitte geben Sie einer Katze unter keinen Umständen Alkohol, auch nicht in kleinsten Mengen!

Wirken Bach-Blüten oder wirken sie nun nicht?

Es wäre unfair, das mit einem Satz zu beantworten. Wissenschaftlich gesehen haben Bachblüten überhaupt keine Wirkung. Mal vom zugesetzten Alkohol abgesehen ist labortechnisch in den Essenzen nichts weiter als Wasser – ohne irgendwelche Wirksubstanzen. Die Wirkweise, dass quasi das Leben / die Energie der Pflanze sich auf das Wasser überträgt und damit dann Gefühlszustände bei Mensch und Tier verändert geht wohl eher in den Bereich des Glaubens als den des Wissens. Aber bei 3.000 Göttern, die auf diesem Planeten angebetet werden – wir werden da bestimmt kein Verbot aussprechen.

Fakt ist, dass die Bach-Blütentherapie nicht so besonders erfolgreich gewesen sein kann, denn sie geriet nach dem Tod von Dr. Bach ganz schnell in Vergessenheit. Warum? Eine so einfach herzustellende “Medizin”, und keiner nutzt sie mehr? Das wird schon seine Gründe haben.

Erst ein Esoterik-Journalist (Wulfing) und eine Heilpraktikerin (Scheffer) haben nach den 70er Jahren zusammen mit der Boulevardpresse wieder Schwung in die Sache gebracht. Marketing macht’s möglich.

Es gibt aber durchaus – gerade beim Menschen – Erfolge in der Behandlung mit Bachblüten. Die sind wohl ähnlich zu erklären, wie der Placebo-Effekt, der ja durchaus auch medizinisch zum Einsatz kommt. Es gibt also vermutlich keine Effekte aufgrund einer spezifischen Wirksamkeit, sondern eher auf einen psychosozialen Kontext. Mit anderen Worten: Heilung durch Suggestion, Erwartungshaltung und Konditionierung.

Fazit: Bach-Blüten wirken nicht – und wirken doch. Man könnte aber vermutlich auch Mineralwasser verwenden oder Menschen an Kieselsteinen lutschen lassen, um den selben Effekt zu erzielen.

Also wirkt’s beim Mensch (irgendwie), und beim Tier nicht?

Ja, so könnte man mutmassen. Hier muss allerdings auch wieder das “aber…” kommen.

Man suggeriert dem Mensch eine Wirkung, und wenn er daran glaubt, dann kann durch diese Erwartungshaltung eine Heilung etc. durch die Selbstheilungskräfte in Gang gesetzt werden – der allseits bekannte “Placebo-Effekt”.

Tiere sind für Placebos nicht empfänglich. Wenn man sich vor den Hund setzt, ihm das Maul öffnet und dort die Bach-Blüten auf die Zunge träufelt, dabei säuselt “dieses feine, feine Wässerchen wird dir jetzt helfen, dass dein Aua ganz schnell verschwindet” wird das nur unmerklich Auswirkungen auf sein Verhalten oder seine Heilung haben.

Allerdings sind Hunde dafür empfänglich, was wir Vets als “placebo-by-proxy-effect” nennen. Und dieser Effekt, der so wunderschön auch in der Homöopathie beobachtet werden kann, wenn Eltern glauben, dass die Globuli den Kleinen helfen, funktioniert so:

Das Medikament (eigentlich: Scheinmedikament) hat selbst keinerlei Wirkung (Milchzucker, Wasser). Der Behandelnde (Eltern, Hundehalter) verändert aber seine Stimmung gegenüber dem Behandelten, wird lockerer, freundlicher, sorgloser. Dieser “Alles-wird-gut-Effekt” überträgt sich dann auf den Behandelten und kann somit Heilung fördern.

Die “Heilkraft” liegt somit im Behandelnden, denn wenn ein Tier krank ist, ist der Halter nervös, ängstlich, verhält sich für das Tier fremd. Zeigt er aber eine Erwartung an das Medikament, dass er dem Tier gibt, wird er aufmerksam, entspannt, beobachtet, kümmert sich um das Tier, lenkt es ab (sehr wirksam bei Schmerzen!) – all das wirkt positiv auf den Krankheitsverlauf des Tieres.

Was denn jetzt? Geben oder nicht geben?

*lufthol* Wenn (!!!) sich der Gesundheitszustand eines Tieres durch den eben geschilderten “Placebo(-by-proxy)-Effekt” verbessert, dann geben! Ein wirksames (Schein)medikament ohne Nebenwirkung ist immer gut.

Aber bitte: wir schulden den Tieren verantwortungsvolles Handeln. Es gibt einfach Symptome / Ursachen, bei denen sich der Gang zum Tierarzt empfiehlt und man das Risiko, dass etwas schief gehen kann weil man den “Placebo-Effekt” erstmal sehen will, unbedingt vermeiden sollte. Bach-Blüten ersetzen nicht den Gang zum Tierarzt, schon gar nicht in Notfallsituationen, in denen auch ein dramatischer Produktname (“First Aid Rescue”) nichts hilft. Wurde der Hund vom Auto überfahren, trinken sie diese Tropfen bitte lieber selbst, rufen die Tierrettung oder bringen ihr Tier umgehend in qualifizierte Hände – dankeschön!!!

Unsere persönliche Meinung zum Schluss:

Wer Bach-Blüten bei Angstzuständen zu sich nimmt, der schmeisst auch ein Fläschchen Haloperidol in den Bodensee und trinkt in Köln aus dem Rhein, wenn er seinen Alkoholentzug therapieren will.

Joey Nickel (VCO(IL))

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