29.12.2023 – Klagemöglichkeiten einfach erklärt

Vorwort

Aus gegebenem Anlass möchten wir ein klein wenig die etwas schwierig zu verstehenden Klagemöglichkeiten aufzeigen und anhand eines Beispiels die Unterschiede, Vor- und Nachteile erörtern. Wir weisen – erneut – darauf hin, dass dies unsere persönliche Meinung darstellt und es sich um keinerlei Rechtsberatung handelt 😉

Beispiel

Anhand folgenden Beispiels möchten wir die nachfolgenden Klagemöglichkeiten erläutern:

Person A schreibt auf Facebook: “Person B ist Alkoholiker und schlägt seine Haustiere.”

Person B möchte sich, zunächst einmal ohne den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu betrachten, dagegen wehren.

Klagemöglichkeiten

Öffentliche Klage

Der erste Gedanke: “ich gehe zur Polizei und erstatte Anzeige”. Dies bezeichnet man als “Öffentliche Klage”. Man möchte den Staat darum bitten, für die Bestrafung (<- !!!) eines möglichen Täters zu sorgen. Das bedeutet:

  • nicht man selbst ist der Kläger, sondern der Staat übernimmt das für einen
  • bedeutet, die Kosten für das Verfahren trägt ebenfalls der Staat – auf einen selbst kommen keine Kosten zu
  • bedeutet, man gibt quasi alle Interventionsmöglichkeiten ab, hat keinen Einfluss mehr auf das Verfahren, kann keine Anträge etc. stellen – der Staat (respektive die Staatsanwaltschaft) übernimmt alles
  • der Staat prüft, ob er die Klage überhaupt übernehmen will. Er kann das in vielen Fällen ablehnen, der Fall, der hier eine Rolle spielen soll, ist der Fall des “öffentlichen Interesses”. Der Staat / die Staatsanwaltschaft muss ein öffentliches Interesse erkennen, sonst darf sie unter Umständen die Klage nicht erheben. Häufig wird das öffentliche Interesse verneint, wenn es sich um Bagatelldelikte handelt (“der hat blöde Kuh zu mir gesagt”) oder aber kein besonderes öffentliches Interesse vorliegt. Ich wage ein Beispiel: wenn ich selbst von einer Person geschlagen werde, dürfte die Öffentlichkeit, der Staat, das deutsche Volk kein besonders grosses Interesse daran haben, dieses Verfahren an meiner Stelle zu führen und die Kosten zu tragen, da ich ja auch andere Möglichkeiten habe, zu meinem Recht zu kommen. Im Gegensatz: wird ein Politiker, ein Fussballtrainer, ein Künstler geschlagen, könnte das Auswirkungen auf den öffentlichen Frieden haben, und somit die Staatsanwaltschaft ein Interesse, dieses zu übernehmen.

Es gibt eine Besonderheit, wann die Staatsanwaltschaft NIE ablehnt: das Offizialdelikt. Hier wird die Staatsanwaltschaft von Amts wegen bei Kenntnis des Deliktes tätig. Das sind in Deutschland alle Verbrechen und einige Vergehen. Vereinfacht (aber nicht ganz korrekt) könnte man sagen: bei schweren Taten übernimmt die Staatsanwaltschaft immer (bspw. Tötungsdelikten), bei leichten (wie Beleidigung) eher nicht.

Bestenfalls kommt es im Rahmen der Öffentlichen Klage zu einer Strafe (dazu später mehr).

Sollte die StA die Klage ablehnen, wird sie prüfen, ob es sich hierbei um ein Delikt handelt, bei welchem die Privatklage zugelassen ist und meist auch darauf hinweisen. Dies ist bei folgenden Delikten der Fall, und damit kommen wir dann auch direkt zur Privatklage.

Privatklage

Bei der Privatklage besteht die Möglichkeit, für bestimmte Delikte im Rahmen der Strafprozessordnung einen Beschuldigten ebenfalls durch den Staat bestrafen zu lassen, mit den gleichen Konsequenzen für den Beschuldigten, als wenn dies in einer öffentlichen Klage stattgefunden hätte.

Hier gibt es einige Besonderheiten, die meisten davon kommen in der Regel eher selten vor, aber auf einige wollen wir dennoch eingehen.

  • Klageberechtigt ist nur der Verletzte (nicht zu verwechseln mit Körperverletzung). Heisst: hat jemand auf Deinem Grundstück Hausfriedensbruch begangen, dann bist Du der Verletzte und nur Du kannst Klage erheben. Nicht ich, nicht Dein Nachbar.
  • Privatklage gegen Jugendliche ist unzulässig, hier übernimmt ggf. die Staatsanwaltschaft
  • Es gibt keine Anwaltspflicht, aber das Recht, sich sowohl als Beklagter als auch als Kläger von einem Anwalt vor Gericht vertreten zu lassen
  • für einige Delikte ist der Versuch einer Sühne vorgeschrieben. Beispiel: jemand hat einen Hausfriedensbruch begangen, so musst Du vor der Privatklage einen Sühneversuch starten. Das zuständige Amtsgericht wird Dir Schiedspersonen in Deinem Zuständigkeitsbereich nennen. Das sind ehrenamtliche Privatleute mit einer gewissen Weiterbildung, die quasi als Mediator, als Moderator, in solchen Streitigkeiten fungieren. Du schilderst dieser Schiedsperson Dein Anliegen, er lädt die Gegenseite zu einem gemeinsamen Gespräch ein mit der Hoffnung, hier eine aussergerichtliche Schlichtung herbeizuführen. Kosten entstehen hierbei nicht, machen das ganze Verfahren aber noch komplizierter und ziehen es in die Länge. Deswegen scheuen viele Leute den Weg der Privatklage.
    • erscheint eine Seite nicht, ist das Sühneverfahren gescheitert
    • kann man sich nicht einigen, bspw. auf Zahlung einer kleinen Geldsumme oder einer öffentlichen Entschuldigung, ist das Sühneverfahren gescheitert
    • ERST DANN kann man mit seiner Privatklage vor Gericht gehen

Auch, wenn es in der Privatklage keine Anwaltspflicht gibt, ist alleine schon wegen der Formulierung der zwingend erforderlichen Anklageschrift und der Berechnung der voraussichtlich zu erwachsenden Kosten ein Fachanwalt für Strafrecht DRINGEND zu empfehlen.

Ähnlich wie bei der Öffentlichen Klage hat das Gericht nun die Möglichkeit, aufgrund der Klageschrift zu entscheiden, ob es die Klage zulassen will oder ob sie es für unbegründet erachtet ( bspw “verächtliche Äusserungen über einen Gartenzwerg stellt keine Beleidigung dar……”), es das Verfahren wegen der Geringe der Schuld einstellt (“ihr habt Euch gegenseitig beleidigt, dann seid ihr jetzt quit”) oder die Hauptverhandlung zulässt.

Im Privatklageverfahren entstehen Kosten, die nicht unerheblich sein können (Fachanwälte für Strafrecht sind teuer!). Es kann aber – von beiden Seiten – Prozesskostenhilfe beantragt werden. Wird der Beschuldigte verurteilt, trägt er die kompletten Verfahrenskosten, also seinen Anwalt, die Gerichtskosten, die Kosten Deines Anwaltes. Du hast nichts zu bezahlen. Wird er NICHT verurteilt, also auch, wenn das Verfahren eingestellt wird, ist es genau umgekehrt: Du trägst die gesamten Kosten, auch die Kosten der Gegenseite!

Vorsicht: es ist die Möglichkeit einer Widerklage gegeben! Hier von einem Anwalt ggf. beraten lassen. Laienhaftes Beispiel: Du wirst vom Beklagten beleidigt, ziehst vor Gericht. Es stellt sich heraus: er hat Dich nur beleidigt, weil Du ihn bespuckt hast. Das Verfahren gegen den Beklagten wird eingestellt, er erhebt Widerklage und Du wirst u.U. wegen eines weitaus schwereren Vergehens bestraft.

Bestenfalls kommt es im Rahmen der Privatklage zu einer Strafe (dazu später mehr).

Strafe

Eine Strafe gibt es (in unseren Beispielen hier) nur im Rahmen der Öffentlichen und der Privatklage.

Der Gesetzgeber bezeichnet die Strafe wie folgt:

Strafe im Sinne des Strafrechts ist nach einer vorherrschenden Definition ein Übel, das einer Person, dem „Täter“, für ihr eigenes, vergangenes, tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) von der Gesellschaft auferlegt wird und mit dem ein sozialethischer Tadel als Unwerturteil gegenüber dieser Person verbunden ist.

Mit anderen Worten: der Staat, das Volk, bestraft einen Täter für seine Handlungen. Dies hat NICHTS mit Schadenersatz, Entschuldigung, Wiedergutmachung oder ähnlichem zu tun. Vergleichbar: das Kind hat im Supermarkt einen Schokoriegel geklaut und bekommt dafür von den Eltern Hausarrest. Das ist unschön für das Kind, der Supermarkt hat dadurch aber weder seinen Schokoriegel zurück noch den Wert ersetzt noch eine Entschuldigung des Kindes erhalten.

Hier stellt sich dann die Frage, ob es das ist, was man will. Darauf kommen wir dann im Abschnitt “Öffentliche oder Privatklage vs. Zivilklage” zu sprechen.

Zivilklage

Auch, wenn “Privatklage” und “Zivilklage” ähnlich klingen, sie haben nichts mit einander zu tun. Einfach gesagt: die Privatklage ermöglicht einer Privatperson auch im Strafrecht eine Klage anstelle des Staates zu übernehmen. Die Zivilklage, also das Zivilrecht, regelt alle Bestimmungen, die eben NICHT mit dem Strafrecht oder anderen Rechtsgebieten zu tun haben.

Der Hauptunterschied zuerst: während es im Strafrecht um die Feststellung der Schuld und damit eine Bestrafung (-> Strafe) des Gegners geht, geht es im Zivilrecht um die Durchsetzung von Rechten und Ansprüchen.

Der Versuch eines Beispiels:

Du hast Person A vertrauliche Nachrichten geschickt. Person A verbreitet diese Nachrichten im Internet, um Dich zu diskreditieren, Dir zu schaden. Du findest das nicht in Ordnung und möchtest, dass A dafür bestraft (!!!) wird. Du klagst also im Rahmen des Strafrechts mit Verweis auf §201 StGB und hoffst, dass eine hohe Strafe dabei heraus kommt. A ist nicht vorbestraft, gibt die Schuld zu, zeigt sich reumütig und kommt mit einer kleinen Geldsumme, zu zahlen an den Staat, davon.

In der Zivilklage begründest Du: Person A hat mein Vertrauen verletzt, dadurch sank mein Ansehen im Geschäfts- und Freundeskreis, auch ein Kunde ist wegen dieser Veröffentlichung bereits abgesprungen. Ich möchte eine zukünftige Unterlassung erwirken und beziffere meinen Schaden auf 10.000 Euro.

Hier liegt der Unterschied: Du verlangst, dass das Veröffentlichte nicht weiter veröffentlicht werden darf und möchtest – im Gegensatz zur Strafe – für Dich etwas dabei herausschlagen.

Der Einfachheit wegen verweise ich hier auf meinen Beitrag

05.10.2023 – Zivilrecht vs. Strafrecht – Vor- und Nachteile – COPPERFIELD IRT V.3.0 (copperfield-irt.org)

und weise nochmal darauf hin, dass sich die dort geschilderten Beispiele im Strafrecht ausschliesslich auf die Öffentliche Klage beziehen.

Öffentliche oder Privatklage vs. Zivilklage

Auch, wenn an anderer Stelle schon erläutert, hier nochmal meine subjektive Meinung zu der Sinnhaftigkeit der eben beschriebenen Klagemöglichkeiten

Öffentliche Klage

  • wenn hier nicht gerade auf ein Offizialdelikt, wie bspw. den Prozessbetrug, hingewiesen wird, wird es wohl fast immer zu einer Einstellung des Verfahrens kommen.
  • kostet zwar kein Geld (ausser Briefmarke), aber bringt auch meistens wenig -> Einstellung des Verfahrens
  • dennoch: auch mehrere eingestellte Verfahren können Auswirkungen auf die Gegenseite haben, bspw. bei Abfrage des Zentralregisters, wenn diese Person mal eine Waffenbesitzkarte haben möchte, mit Schutzbedürftigen arbeiten oder ähnliches
  • sollte dennoch eine Verurteilung stattfinden, sind die geschilderten Delikte meist in einem Rahmen, der eine kleine Geldstrafe mit sich bringt
  • in besonderen Ausnahmen können die Strafen natürlich auch massiv ausfallen, bspw. eine mehrjährige Haftstrafe
  • man selbst hat überhaupt nichts davon, keine Entschuldigung, keine Geldzahlungen, keine Klarstellungen
  • persönliche Einschätzung: da es nichts kostet, in begründetem Fall (!!!) als “Beifang” einfach mal versuchen

Privatklage

  • siehe “öffentliche Klage”, mit dem Zusatz: hier kostet es unter Umständen Geld, das Risiko, ein Verfahren zu verlieren (auch eine Einstellung würde dazu gehören) ist recht hoch, man schadet evtl. eher sich selbst als dem anderen
  • persönliche Einschätzung: macht nur Sinn, wenn man weiss, dass man der Gegenseite mit einem solchen Verfahren schaden kann und die Aussicht auf eine Verurteilung wirklich gut sind. Eine Verurteilung könnte in bestimmten Berufsgruppen ganz schnell für ein Berufsverbot sorgen (-> Kindergarten, Krankenschwestern, Sicherheitsdienste)

Zivilklage

  • Wie schon an anderer Stelle geschildert, ist hier eher der Weg das Ziel. Sinngemäss: “klag den anderen arm“.
  • auch, wenn hier durchaus ein gewisses Prozessrisiko besteht, so sind die Chancen, zumindest eine Einstweilige Verfügung zu erwirken, recht hoch. Das Ergebnis dieses Prozesses (“Frau A darf nicht mehr ‘Eierkopp’ sagen“) ist eher zweitrangig. Die durch ein solches Verfahren entstehenden Kosten können empfindlich für die Gegenseite sein
  • es besteht die Möglichkeit, auch selbst etwas von solch einem Prozess zu haben. Bspw. im Rahmen eines Schadenersatzes wegen Verleumdung oder ähnlichem.
  • persönliche Einschätzung: im Zweifelsfall Prozesskostenhilfe beantragen (Anforderungen daran sind aber hoch!) und mit einem Anwalt für Internetrecht / Äusserungsrecht eine gute Strategie überlegen. Aber bitte auch stets immer das eigene Risiko im Auge behalten. Wenn’s gut geht, fügt man der Gegenseite einen Schaden von 15.000 ganz schnell zu. Wenn’s in die Hose geht, hat man ganz schnell selbst einen Schaden von 10.000 Euro. Deswegen auch stets die Zahlungsfähigkeit / Zahlungswille der Gegenseite im Auge behalten 😉

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