
Vorgeschichte
Nicht ganz 25 Jahre ist es her, dass meine Frau und ich beschlossen, Tierheime und Tierschutzvereine zu unterstützen. So waren wir u.a. Mitglied im damaligen Verein “Hundehilfe Ungarn e.V.” (diesen Namen gibt es heute wieder, es handelt sich aber um einen vollkommen anderen Verein) und konnten dort quasi “live und in Farbe” miterleben, was einige Menschen unter “Tierschutz” verstehen: “Masse statt Klasse”, vermeintlicher Tierschutz als Pille gegen die eigene Bedeutungslosigkeit, Grabenkämpfe untereinander. Leidtragende waren, wie so oft, die Tiere des Vereins.
Weil sich zwei der Gründungs-Grazien nicht einig waren, wer der bessere Tierschützer sei, spalteten sich zwei Lager und – wirklich – über Nacht war der Verein faktisch Geschichte. Es gab nun je einen Verein der beiden GröTaZ*innen und den Verein Hundehilfe Ungarn mit verbliebenen drei Mitgliedern: meiner Frau, ich selbst, und einer weiteren Person aus Regensburg.
Zig Hunde waren in der Vermittlung, teils auf Pflegestellen in ganz Deutschland untergebracht, einige auch dauerhaft auf verschiedenen Gnadenhöfen (oder “Lebenshöfen”, wie man heute politisch korrekt sagen soll) – und nun hatten wir drei den Verein notfallmässig an der Backe, von Tuten und Blasen keine Ahnung von der Führung eines Vereins. Wir taten unser Bestes, die Tiere gut zu vermitteln und für die Kosten der anderen aufzukommen – bis das Vermögen des Vereins aufgebraucht war. Dann lösten wir den Verein auf.
Sabine und ich schworen uns, dass wir nie wieder das Wohl von Tieren vom Ego anderer Leute und damit auch von ihrem Geld abhängig machen wollten. Was nutzt es, einen Haufen Gleichgesinnter zu begeistern, die einen mit Geld zuschütten, und dann – ein falsches Wort – die Finanzmittel ausgehen und die Tiere darunter leiden. Heute ist das Risiko noch viel höher, als damals, denn heute ist Tierschutz allgemein ein einziges Schlachtfeld. Noch in den nachfolgenden sieben Jahren erreichten uns Rechnungen von Gnadenhöfen von über 7.500 Euro. Hätten wir nicht bezahlen müssen, der Verein war liquidiert – aber sollten für die Ego-Trips der weltbesten Tierschützer nun Gnadenhöfe darunter leiden? So ticken wir nicht, also haben wir diese Summen aus unserer privaten Tasche bezahlt.
Zu unseren vier Tierschutz-Katzen kamen dann noch zwei Hunde, aber dann war auch die Grenze des Möglichen erreicht – meinten wir.
“Benji”
Irgendwann kam dann eine Anfrage für einen ganz besonderen Fall: “Benji” – ein Podenco-Pointer-Mix aus Spanien, super ängstlich, nur am Zittern, vermutlich Strassenhund und mutmasslich einmal mit heißem Wasser übergossen worden.
Lange Rede: Benji kam zu uns, und wir kamen das erste Mal an unsere Grenzen. Ein Blatt fiel vom Baum, der Hund warf sich hin und zitterte. Man schrammte beim Gehen mit dem Fuß über den Teer, der Hund warf sich hin. Eine Jalousie wurde hochgezogen, der Hund warf sich hin. Und dann konnte man ihn nach Hause tragen – nichts ging mehr. Viel Zeit und Einfühlungsvermögen später konnten wir das verbessern, so dass er immer noch unsicher war, aber nicht mehr getragen werden musste. Nach weiteren Monaten war es so weit, dass er in entsprechendem Gebiet sogar frei laufen konnte, und ihn lediglich Schussgeräusche noch verunsicherten, bis er dann (ausser in Strassennähe) sich überall mit uns im Freilauf bewegen konnte.
Die Geschichte von Benji machte in Tierschutzkreisen die Runde, und wir konnten uns vor Anfragen nicht retten, irgendwelche “ganz besonders armen Seelchen” bei uns aufzunehmen. Problem: zwar war die Immobilie unser Eigentum, besass aber keinen grossen Garten und war am Rande von Wolfsburg auch nicht so super hundefreundlich gelegen. Zu unseren vier Katzen kam dann also noch Hund Nummer vier, aber dann musste auch gut sein.



Der Gnadenhof
Wie das Universum so spielt: eine Tür geht zu, drei andere öffnen sich, und mit einem guten finanziellen Polster und sicherem Einkommen fragten Sabine und ich uns: “wollen wir so mutig sein und mal ein Projekt ‘Gnadenhof’ angehen?” Wir stürzten uns ins Abenteuer, suchten “in der halben Welt” nach einem geeigneten und bezahlbaren Objekt und fanden das, in dem wir aktuell noch wohnen.
Im Siegerland, günstig zu bekommen da Notverkauf zur Finanzierung von Altenheimkosten, direkt im Naturschutzgebiet, umgeben von Wald, 1.300 qm grosser Garten, 3.000 qm großer Hundeplatz mitten im Wald. Wir schlugen zu, vermieteten unsere Wohnimmobilien, sanierten Dach, Fenster und Elektrik des Hauses von Grund auf, ließen die Grundstücke hundesicher umzäunen und fertig war der Gnadenhof im Jahr 2010.
15 Jahre also gibt es diesen “Gnadenhof” nun, der optisch natürlich nichts mit einem klassischen Hof zu tun hat. Und auch die Anzahl der Tiere ist limitiert: das Veterinäramt hat uns bis zu neun Hunde genehmigt, davon maximal sechs grosse / “gefährliche” Hunde. Dazu kamen dann irgendwann noch drei Katzen und sogar drei Wildschwein-Frischlinge waren bei uns Zuhause.
Dieses Limit haben wir nur kurz ausgereizt, denn die Tiere sollten ja nicht in Zwingern untergebracht werden, sondern als Familienmitglieder im Haus leben. Eine kleine Herausforderung, Hunde, Katzen und Wildschweine an einander zu gewöhnen, zu sozialisieren und zu erziehen. Aber es hat super geklappt – wir sind stolz auf unsere “Kinder”.
Neben den Kosten für Anschaffung und Unterhalt der Immobilie, Verpflegung und medizinischer Versorgung spielt natürlich auch die Zeit eine Rolle. Mit Kalibern zwischen Chihuahua, Kangal und Ridgeback geht man nicht einfach mal in eine Eisdiele. Ein Urlaub auf “Malle” fällt ebenso flach wie auch nur mal ein Wochenende in einem Ferienhaus. Hundesitter? Nicht nur nach LHundG für unsere Hunde verboten, die Tiere hätten teilweise auch nie eine fremde Person ohne unsere Anwesenheit geduldet (ich habe immer gesagt “bei uns kann jeder einbrechen, aber er kommt nie wieder raus”).
24/7 für die Tiere da zu sein, ohne ausgiebige Erholung, die Sorge bei Krankheiten und natürlich leider auch immer wieder geliebte Familienmitglieder, die versterben – das macht etwas mit einem. Nun sind wir über fünfzig und als nur noch vier Hunde bei uns waren, beschlossen wir, dass wir das alles nun auslaufen lassen werden. Wenn der letzte Hund verstorben ist, dann würden wir uns um uns kümmern, das Leben wieder genießen, so lange es noch geht, den Gnadenhof vermieten, verkaufen oder was auch immer und wieder weg aus dem landschaftlich schönen Siegerland und weg aus Deutschland. Dieses Land, diese Leute und wir, das passt überhaupt nicht. Aber in der Hinsicht haben wir ja schon vor Jahren die Weichen gestellt.
Es waren also noch vier Hunde im Alter von 10 bis 15 Jahren bei uns, als wir beschlossen, den Gnadenhof auslaufen zu lassen. Aber es kam anders.
“Davu Farrah”
Jemand richtete Frage an uns, ob wir bei der Vermittlung eines Hundes helfen könnten: “Davu”, ein Rhodesian Ridgeback, 9 Jahre alt, hoch dekoriert, Scheidungs”kind”. Wir konnten leider nicht helfen. Dann müsse der Hund wohl ins Tierheim, hieß es. Da fliegen bei uns dann immer die Sicherungen raus: erst Statussymbole anschaffen, danach dann, wenn die Lebensumstände nicht mehr ganz so rosig sind, wird das Tier weggeworfen.
Es dauerte keine halbe Stunde, da waren Sabine und ich uns einig: “na komm, egal, wir schauen ihn uns mal an”. Denn schliesslich muss das mit den Tieren hier bei uns ja auch passen, wenn alle zusammen als Familie in einem Haus leben wollen.
Davu war ein großer Brocken von 45 kg, sehr lieb und verträglich. Und wie ein Automechaniker um ein Auto herumläuft und es begutachtet, weil er es “im Blut hat”, so schaute ich mir Davu an.
Warum hatte er Druckschmerzen im Lendenwirbelbereich? War noch nie jemandem aufgefallen.
Warum läuft er so komisch? “Och, der ist einfach nur gut drauf, dann läuft er immer so lustig.”
Warum sieht es oft so aus, als ob er sich übergeben wolle? “Och, das ist eine Marotte, die hat er schon lange.”
Wieso fällt er fast um, wenn er einem die Pfote geben soll? “Och, der ist halt so ein ungeschickter, schlaksiger Hund.”
Man kann ihm weder ins Maul noch in die Ohren schauen, eine Zecke entfernen endet in einer Quietsch-Orgie, den Bauch abtasten geht gar nicht – was ist los mit ihm? “Och, das konnte man mit ihm noch nie.”
Mein erster Gedanke war “Püppchen, ich habe nicht nur mehr Hunde gehabt als Du Hirnzellen, ich habe auch Veterinärmedizin studiert, verarsch’ jemand anderen.” Aber: nicht nur bin ich einigermaßen gut erzogen (und vergesse das nur selten), ich gebe auch zu: das Gegenüber hat den Hund jetzt neun Jahre lang gehabt – wer bin ich, dass ich ihre Aussagen in Frage stelle. Also habe ich ihr die besorgte Hundebesitzerin halbwegs geglaubt, die ihren Hund wegen Scheidung abgeben musste, weil in der neuen Wohnung kein Hund erlaubt sei, und sie in der Nähe des Ex bleiben wollte, damit das vollkommen gestörte Etwas auf zwei Beinen, welches sie ihren Sohn nennt, auch ja in der Schule bleiben kann. Und die komischen Verhaltensweisen……. mein Gott, es gibt die merkwürdigsten Hunde auf der Welt, vielleicht ist Davu eben einer von ihnen.
Wir entschieden: Davu kann bei uns bleiben. Aus rechtlichen und versicherungstechnischen Gründen würden wir das Eigentum an ihm übernehmen wollen, würden alle Kosten für ihn tragen, aber sollte es mal notwendig sein und hohe Tierarztkosten auf uns zukommen, wären wir froh, wenn man sich daran dann beteiligen könnte. “Jaja, man habe sich ja vom Ex auszahlen lassen, das wäre kein Problem.” Also kam Davu zu uns (als Erstes bekamen wir einen Ordner mit all seinen Orden und Auszeichnungen und Leistungsabzeichen übergeben), und anfangs war alles ganz normal. Ein toller Hund, der ständig frei und ohne Leine laufen konnte und durfte.


Um den vermeintlichen Trennungsschmerz etwas zu lindern, ließ meine Frau ein Kuschelkissen von einem Foto anfertigen, dazu ein tröstender Spruch, und wir ließen der Vorbesitzerin das zukommen.

Dann änderte sich alles. Davu fing an, die Kellertreppe nicht mehr hoch oder runter zu kommen. Nicht ständig, gelegentlich, sagen wir einmal die Woche. Dann knickte sein linkes Hinterbein weg, der Rest konnte sich nicht mehr halten, und das war es dann. Das stellt nicht nur uns vor Probleme, das macht auch was mit so einem stolzen Tier. Und stellt uns vor die Problematik der Diagnose des Problems, denn Herr Hund ließ sich ja nicht anfassen. Er biss nicht, er quietschte auf und versuchte sich, der Situation zu entziehen.
Mittlerweile war dann leider auch unser “Spike” verstorben, und somit gab es nur noch vier Hunde bei uns.

Irgendwann verweigerte er das Futter. Das kann tausend Gründe haben, Diagnose schwierig, besonders wenn Herr Hund sich nicht untersuchen lässt. Bei der Handfütterung mit Nassfutter stellte sich der Verdacht ein, er könne Zahnschmerzen haben. Zähne untersuchen: unmöglich. Wir fuhren zum Tierarzt unseres Vertrauens. Der Versuch, ihm ins Maul zu schauen, schlug fehl.
Wir beschlossen: wir kommen irgendwann wieder, legen Davu ein wenig schlafen und untersuchen ihn dann mal ganz gründlich, so gut das in einer Sedierung möglich ist. Mit Ausnahme des Kopfes haben wir nun Röntgenbilder von jedem Zentimeter Hund, incl. “Lauenstein” und HD. Leichte Spondylose, keine HD, Knochen und Gelenke in Ordnung. Dafür: Kardiomegalie jenseits von gut und böse, Knoten in der Lunge.


Was sind das für Knoten? Lungenkrebs? Lungenwürmer? Später also drei Tage Stuhlproben gesammelt und eingeschickt: keine Würmer gefunden, also vermutlich Lungenkrebs. Könnte jetzt natürlich erklären, warum der Hund immer so komische Geräusche macht, die man einfach mal als “Marotte” abgetan hat.
Beim Blick ins Maul wurde aus der Sedierung dann eine Vollnarkose: weg mit dem Zahnstein. Und wo die Mimose dann schon mal ermöglicht, in seine grosse Futterluke hinein zu sehen, zeigte sich dann das nächste Problem: eine dicke “Kehlkopf”entzündung, die dafür sorgte, dass er schlecht Luft bekam. Wieder ein Indiz für seine “Marotten”.
Nachdem dies überstanden war, ging es an seinen Hinterlauf. Was war das Problem? Ein Bänderproblem? Ein eingeklemmter Nerv? Kommen diese Ausfälle durch Schmerzen oder durch Kontrollverlust, ähnlich eines einschlafenden Beines? Mit Schmerzmitteln schien es besser zu gehen. Wenn er also so “lustig geht”, dann ist der nicht “gut drauf”, der Hund hat Probleme. Für diese Ignoranz könnte ich schon wieder Kauleisten deformieren, und an diesem Punkt konnte sich die TA-Rechnung sehen lassen.

Da wir uns rein für die Diagnostik hier schon der 500-Euro-Marke näherten, beschlossen wir, die Vorbesitzerin zu kontaktieren. Da wir bisher den Eindruck hatten, dass sie sehr bemüht und besorgt um Davu war (Menschenkenntnis ist wohl doch nicht so meine Stärke), wollten wir ihr die Problematik schildern. Ich markierte die Röntgenbilder, um ihr zu erklären, was das Problem war / sein könnte, und das dies vielleicht einige Symptome erklären würde, die sich in der Vergangenheit gezeigt hätten. Ich versuchte ihr alles genau zu erklären – und erhielt dann als Antwort: “Du schreibst immer so viel, ich habe das alles gar nicht gelesen.” Sehr freundlich, das auch noch zuzugeben, wenn sich jemand die Mühe macht, jemandem die Probleme des Hundes zu erklären, für die man sich all die Jahre ja wohl nicht interessiert hat.
Aber: zum einen hat sie damit Recht (man sieht es an diesem Beitrag, ich schreibe wirklich immer sehr viel und detailliert), zum anderen hätte ich eine Nachricht a la “Hund krank, gib Geld” als unhöflich empfunden. Und ich war bislang immer der Meinung, uns Hundehalter würde interessieren, was mit unseren Kindern los ist – auch, wenn sie nicht mehr bei einem leben. Und bis dahin hatte ich den Eindruck, sie würde sich Sorgen machen und wäre immer sehr bemüht um Davu gewesen.
Wir schickten dann die obige TA-Rechnung mit der Bitte, wie besprochen, um ein wenig Unterstützung. Wir bekamen zur Antwort, man wolle eigentlich nach Griechenland in Urlaub fahren und müsse mal sehen, ob man was dazu tun könne. Schliesslich erreichte uns dann eine Überweisung von 100 Euro.
Unsere “Diagnose”
So unkompliziert Davu auch im Freilauf und im Miteinander mit uns allen war, er war eine Mimose. Wir mussten dringend mit ihm arbeiten. Irgendwann liess der Hund sich von uns anfassen, wir dürfen seine Ohren reinigen, wir dürfen ihm ins Maul schauen, wir dürfen ihn sogar tragen. Da frage ich mich: warum schaffen wir etwas in wenigen Wochen, was man mit ihm in neun Jahren nicht geschafft hat?
Ich lehne mich aus dem Fenster und stelle folgende Behauptung auf: als noch alles rosa-rot war, da musste man zeigen, was man hat. Mit dem Ehemann wurde ein Haus direkt am Wald gekauft, dazu Davu und seine Schwester (schon mit sieben Jahren verstorben, soweit ich weiss). Na, so zwei grosse Hunde neben einem jungen dynamischen Pärchen, das macht schon was her. Zumindest nach aussen hin. Auf die Couch durfte er genauso wenig wie ins Bett. Er musste immer abseits liegen. Ja, Davu konnte immer frei laufen, aber wenn er musste, dann hat man sich nicht mal um ihn gekümmert, sondern die Haustür aufgemacht und er rannte dann alleine im Wald rum, bis er wieder nach Hause kam (das wurde uns so mitgeteilt). Nicht, dass man noch Haufen vom Golfrasen im Garten aufsammeln muss.
Irgendwann kam dann der Nachwuchs. Wenn der Sohn Davu dann mal ärgerte und der sich dagegen dann mit Drohschnappen zur Wehr setzte, gab es für Davu erstmal eine Lektion, die sicherlich nicht schön war (ich weiss nur von “am Halsband die Treppe runter schleifen”). Irgendwann ging die Ehe dann in die Brüche, und wie das immer so ist: wir Männer sind schuld. Sie liess sich auszahlen und wohnt nun 200 m Luftlinie weiter in einer Mietswohnung. Da hat die Eigentümerin dann angeblich eine starke Hundehaar-Allergie (ja, so ein Langhaar-Ridgeback fusselt schon mal bis ins obere Stockwerk) und verbot die Haltung von Hunden. Angeblich! Schaue ich mir die Wohnlage an, ist meine Vermutung: da ist nichts mehr mit “Tür auf und Hund laufen lassen”, da müsste man sich kümmern. Das ist natürlich viel Stress, denn man muss ja in den sozialen Medien ständig Bildchen posten, wie gut man doch aussieht und wie glücklich man doch ohne den Ex ist. Das geht das nicht mit einem Hund.
Ein Hund, der alle Nase lang Geräusche macht, als ob er sich übergeben will, der wird nicht mal einem TA vorgestellt. Das ist eine “Marotte”. Aber natürlich wird er keinem TA vorgestellt, denn er liess sich ja nicht untersuchen und jammerte dabei, als würde man ihn abschlachten wollen. Hat man an seinen Ängsten nicht mal gearbeitet? Nee, das ist zu viel verlangt. Auf Wettbewerben Höchstleistungen bringen, ansonsten “mein Haus, meine Kids, mein Auto, mein Rassehund”. Aber bitte….. nicht mit auf die Couch! Immer schön Abstand halten. Sozialpartner am Arsch!
Im Gegensatz zum Söhnchen. Der hat es geschafft, bei seinem Besuch hier bei uns im Garten erstmal unsere “Hundeburg” zu zerlegen (oder besser: die Rampe), weil er wie ein Bescheuerter auf dem Ding rumgehüpft ist. Glaubt jemand, das hätte die Mutter irgendwie zur Kenntnis genommen? Ihn mal davon abgehalten? Schadenersatz angeboten? Aber nicht doch.

Der darf seine Gastgeber genau wie seine Mama natürlich auch gerne mal “Arschloch” nennen – das lässt man weitestgehend unkommentiert. Damit dieses Etwas, dass man dem Gen-Pool besser gar nicht erst zugeführt hätte, natürlich die bestmöglichen Voraussetzungen hat, um langfristig der Solidargemeinschaft auf der Tasche zu liegen und der Umwelt auf den Sack zu gehen, kann man einen alten Hund natürlich gerne einfach mal ins Tierheim abschieben – das wäre kein Problem gewesen.
Nun hat man aber die Premium-Variante gefunden: man hat sich ein gutes Gewissen bewahrt, dass der Hund eben nicht in einem TH verreckt. Man hat ein paar Doofe gefunden, deren verrückte Tierliebe es einem ermöglicht, ein sorgenfreies Leben zu führen und die so doof sind und das mit ihrem Geld finanzieren. Man selbst beteiligt sich an den Kosten mit 100 Euro. Zieht man davon die 40 Euro für das Kissen ab, kommt man aus dem Grinsen nicht mehr raus. Aber die Verantwortung, die wird sie dafür noch tragen.
Run free, mein Freund!
Vielleicht wäre es gut gewesen, bei Davu frühzeitig einmal mit Herzmedikamenten anzufangen, damit sich bestimmte Probleme nicht so manifestieren, dass sie unlösbar sind. Vielleicht wäre eine Physio und / oder medikamentöse Behandlung für seinen Bewegungsapparat sinnvoll gewesen, damit er nicht leiden muss, sich beim Wenden auf nicht auf den Hintern setzt, nicht mehr rückwärts laufen kann, die Treppen runter fällt. Vielleicht hätte man mal seine Zähne kontrollieren können, damit sich Zahnfleischentzündungen erst gar nicht bilden.
Vielleicht nimmt man aber auch die Gelegenheit mal wahr, und lässt sich psychiatrisch untersuchen, wenn man bereit ist, ein soziales Wesen rein als Statussymbol zu benutzen und sich einen Scheiss darum kümmert, und ein vollkommen durchgeknalltes Etwas über alles zu stellen. Vielleicht lässt man sich mal untersuchen, was im eigenen Hirn nicht in Ordnung ist, wenn man einen Hund, der länger in der Familie ist, als die leiblichen Kinder, ohne mit der Wimper zu zucken in einem Tierheim entsorgen würde. Sollte es dafür keine Behandlungsmöglichkeiten geben, versuche ich mich gerne mal in der anästhesiologischen Humanmedizin.
Davus Zustand wurde in den letzten Wochen immer schlimmer. Bei entsprechenden Temperaturen können die Hunde 24/7 bei uns in den Garten – durch den Keller. Die Treppe herab führte ein, zwei Mal zu einem Absturz, so dass wir ihn immer begleiten mussten, und auch hoch ging es irgendwann sicherheitshalber nur noch mit Unterstützung, denn auch das ging schon mal schief. Irgendwann wartete er dann geduldig, bis einer von uns kam (Sicherheitskameras sei Dank) und ihn dann in die Wohnung begleitete.
Sein Gang wurde immer schlechter, er torkelte regelrecht, war mental aber anfangs noch fit, verspielt, neugierig, verfressen. Auch das änderte sich schnell. Nur eine Sache verschwand zum Schluss noch in der Futterluke: Dörrfleisch. Alles andere wurde abgelehnt – von Selbstgekochtem über gekochtes Hühnchen (ja, als Veganer springen wir da über unsere Schatten) oder gutes Nass- oder Trockenfutter. Für uns – aus leidvoller Erfahrung – das Signal: wenn dieser Zustand erreicht ist, dann ist der Tod die gnadenvollste Lösung.
Davu war unruhig, schlief nachts kaum noch, war dafür tagsüber vollkommen fertig und hatte nur noch stundenweise seine hellen Momente. Wir haben dann heute beschlossen, ihn gehen zu lassen. Und ja, ich bilde mir ein, dass ein sterbender Hund, der sich nochmal richtig an einen ankuschelt, während man sich in Tränen von ihm hier zu Hause verabschiedet, einigermassen versteht, was los ist. Es war höchste Eisenbahn: Davu musste intrakardial erlöst werden, alles andere war wirkungslos.



Wer glaubt, wir hätten für unsere Bemühungen einen Weihnachts- oder Neujahrsgruss erhalten, der täuscht sich. Angesichts solcher Zahlen möge man verstehen, dass ich mehr als angepisst bin, denn diese Kosten hat (zu einem grossen Teil) die Vorbesitzerin durch Untätigkeit verursacht.
Update: Abschlussrechnung
Nachbeben
Wie erwähnt: seit fast 25 Jahren machen wir das. Wir wussten um die wunderschönen Seiten, wir wussten um die traurigen Seiten. Und auch, wenn der Tod eines Tieres sich abzeichnete, nie konnte man sich wirklich vorbereiten. Alle Diskussionen im Vorfeld, alle sachlichen Erörterungen, alle gegenseitigen Bestätigungen, das Richtige zu tun, führten nicht dazu, dass man das Ganze trockenen Auges überstand.
Ich habe schon mehr Menschen sterben sehen, als Hunde, und habe nie eine Träne vergossen. Ich schäme mich nicht: ich heule jedes Mal wie ein Schlosshund, Zuhause, vor den Tierärzten und deren Patienten, wenn ein Tier stirbt. Es hinterlässt einen Riss, eine Wunde, eine Lücke, die zwar überwuchert wird, aber nie gefüllt. Und irgendwann, dann kommen die Gespräche: “weisst Du noch, damals……” Und dann geht das Geheule wieder los. Halb aus Trauer, halb aus Freude.
Aber all das macht was mit einem. Wir wollen das nicht mehr. Wir können das nicht mehr. Wir haben Jobs, die uns fordern, wie haben politische Situationen, die auch für uns herausfordernd sind, und wir haben in den letzten fast 25 Jahren jeden Cent und jede Minute in das Projekt “Gnadenhof” gesteckt. Wir wollen und wir brauchen auf den letzten Metern unseres Lebens nun etwas Zeit für uns.
Es ist nicht nur die Trauer, die einen auf Dauer belastet. Es ist ja auch so, dass man sich jedes Mal auf ein neues Tier einstellen muss, herausfinden muss, wie es tickt, welche Probleme es hat, um daran dann gezielt zu arbeiten. Studium hin oder her: vieles dürfen wir hier in Deutschland nicht, für anderes fehlen uns die Möglichkeiten. Aber bei den Kalibern, die bei uns landen, ist auch die Psyche immer eine besondere Herausforderung. Füttern und “Gassi gehen” sind nicht das Einzige. Der eine verkriecht sich vor Dir, der andere geht auf Dich los. Ziel ist, das beide nachher entspannt und voller Vertrauen sind – und das ist jede Menge Arbeit. Die stundenlangen Diskussionen in der Freizeit würde ich nicht vermissen. Diskussionen um Diagnosen, Therapien, Kosten, Planungen.
Und natürlich ist “Geld” dann auch immer ein Punkt, denn anders als irgendwelche Vereine, die für ihre Zwecke das Geld Dritter verballern, müssen wir unser Geld erarbeiten. In manchen Jahren könnte man einen dreiwöchigen Urlaub auf den Kanaren machen, in anderen sich einen neuen Kleinwagen kaufen.
Aber der Countdown läuft: “Struppi” ist 15 Jahre alt, “Sissy” ist 12 Jahre alt, “David” ist 10 Jahre. Es ist absehbar, dass das alles einmal endet. Am Ende dieses Projektes bedeutet das für uns die absolute Freiheit. Fällt die Verantwortung für die Hunde weg, sind wir frei. Bis dahin handeln wir verantwortungsvoll im Namen der Hunde. Danach werden andere die Verantwortung für ihr Handeln uns und / oder den Tieren gegenüber zu tragen haben. Einige Leute wissen, dass wir dann anfangen, Rechnungen zu schreiben. Rein metaphorisch. Eher physikalisch. Und wir vergessen niemanden.

Update: Reaktionen
Nachdem ich mich in den (a)sozialen Medien nicht mehr tummle, tut meine Frau dies durchaus. Und hat dort auch ihrem Ärger einmal Luft gemacht. Kaum ausgesprochen, kamen Leute, die helfen wollten, die sich an den Kosten beteiligen möchten. Dafür sagen wir beide ganz herzlichen Dank.
Wir haben aber abgelehnt: zum einen haben wir keine Sorgen, dass wir die nächsten Wochen nur noch Toast mit Ketchup essen müssten – uns geht es gut. Zum anderen kann es nicht angehen, dass für die Versäumnisse und das Fehlverhalten von anderen immer Dritte zahlen müssen (einer der Gründe, warum ich dem Auslandstierschutz mittlerweile so kritisch gegenüber stehe). Vielmehr muss ganz klar gemacht werden, wie Tiere darunter leiden, so vernachtlässigt zu werden, ja, auch darunter, von solchen Leuten quasi einfach abgegeben zu werden. Wo jeder Mensch sagen würde “sei froh, dass Du da weg bist” ‘denken’ Hunde so nicht. Ihr Bezugsperson – so schlecht das Verhältnis aus Sicht von Fachleuten auch gewesen sein mag – ist weg, das Leben auf den Kopf gestellt, und die Tiere leiden so massiv darunter, dass sich das nicht nur psychisch, sondern auch physisch bemerkbar macht.
Davu bspw. hat sich derart versucht, in sich zurückzuziehen, dass er dabei verkrampft wurde, was seine Problematik mit seinem Gleichgewicht, der Atmung und auch seiner Nahrungsaufnahme massiv beeinflusst hat. Auch das ist dann immer eine schwere Aufgabe, ein Tier aus dieser Verunsicherung herauszuholen – nicht zuletzt, um nicht irgendwelche Fehldiagnosen zu stellen.
Egal wie, Sabine und ich sind beide sehr dankbar für Leute, die eben nicht nur an sich denken, sondern auch an andere. Dankeschön – ihr wisst, wer ihr seid. Und wenn dann irgendwann das Vollkornbrot mit (veganer) Mayonnaise zu teuer wird, und wir uns nur noch von Toast mit Ketchup ernähren können, dann kommen wir auf euer tolles Angebot bestimmt mal zurück. Bis dahin fühlt Euch umarmt.

